ZitatAlles anzeigenFreibier
Er ballte seine Hände zu Fäusten.
"Mensch ist das kalt, verdammt!", fluchte er, während der kalte Wind durch die kleinen Löcher in seinem Mantel blies.
Doch Geld für einen neuen hatte er nicht. Schon seit mehreren Monaten gab er vor jemand zu sein, der er garnicht ist. Vornehm gekleidet, gefälschte Uhren vom Straßenhändler, und einen Autoschlüssel, der zu einem Aston Martin passte.
Natürlich war dieses Fahrzeug nicht in seinem Besitz, er hatte den Schlüssel bei einem Spaziergang am Rheinufer gefunden.
Die Leuten hielten ihn für jemanden aus der gehobenen Schicht, doch die Realität sah anders aus.
Er wohnte in einer Plattenbausiedlung, doch als Wohnen konnte man diesen Zustand nicht direkt bezeichnen. Morgens in der Früh schlich er sich leise hinaus, damit niemand ihn dabei sehen kann, und spät Abends schlich er sich wieder in den siebten Stock.
Eines Morgens hatte ihn ein Nachbar dabei entdeckt und ihn gefragt, ob er sich verlaufen hätte, worauf er antwortete, dass er bei jemanden eingeladen war.
Seine Nachbarn kannten ihn nicht, vielmehr hielten sie den Insassen seiner Wohung für jemanden, der den ganzen Tag nicht aus der Wohnung kam.
Für ihn war es eine schwere Zeit, denn früher hatte er alles: Geld, Familie und Luxus pur, doch mit Hilfe von Alkohol schaffte er es sich diesem Zustand zu entziehen.
"Hätten Sie vielleicht einen Euro für mich?", fragte ihn ein Bettler.
Was sollte er sagen? Nein, entschuldigung, ich habe auch nicht viel mehr Geld als sie und ich spiele allen Leuten ein Dasein vor, welches ich garnicht führe?
Am liebsten hätte er es getan, doch das konnte er nicht. Daher griff er seine Tasche mit seinen letzten Euronen und gab dem Bettler den Inhalt, ohne genauer nachzudenken.
Von weitem sah er schon die Werbetafel, die jeden Tag auf ihn wartete, doch nie hatte er einen Blick darauf geworfen, so auch heute nicht. Schließlich könnte ihn jemand dabei sehen, wie er sich die Angebote näher anschaute.
"Guten Abend.", begrüßte ihn der Wirt, wie jeden Abend, wenn er in die Kneipe kam. Anfangs hatte sich der Wirt noch gewundert, einen solchen Kunden, wie ihn, begrüßen zu dürfen, doch seit ein paar Wochen hatte er es wohl realisiert.
Und wie jeden Abend bestellt er ein Bier nach dem anderen, um vor seinen Problemen und seiner Situation zu flüchten.
Diesen "Luxus" leistete er sich, indem er später am Abend, nachdem er die Kneipe verlässt, Pfandflaschen sammelte.
Zum Glück, hatte ihn niemand bisher dabei beobachtet, wie sollte er eine solche Situation auch erklären?
Mit der Absicht zu bezahlen, griff er in seine Manteltasche, doch er hatte ganz vergessen, dass er seine letzten Euronen dem Bettler gegeben hatte.
Er suchte seine anderen Taschen ab, irgendwo musste doch noch Geld sein.
Der Wirt bemerkte seine hektische Suche und fragte ihn, ob er kein Geld dabei hätte.
"Doch, doch. Warten Sie..."
"Wenn Sie kein Geld dabei haben, das ist..."
"Entschuldigen Sie bitte", unterbrach er ihn, "aber sehe ich aus, als ob ich kein Geld für ein paar Bier habe?"
Er bemerkte nicht, dass seine Stimme zu beben begann, und sich das ganze nicht als rhetorische Frage entpuppte, sondern vielmehr als Verzweifelung.
"Nein, nein definitiv nicht, doch ich muss Ihnen sagen..."
Er hatte alles durchsucht. Kein Geld. Er hielt es nicht mehr aus, was führte er für ein Leben? Das war doch garkein Leben, vielmehr eine Illusion. Es platzte aus ihm heraus.
"Sehen Sie, Sie haben recht. Ich bin nicht reich, ich fahre keinen Aston Martin und dieser Mantel ist mit Löchern übersät. Und sehen Sie? Diese Uhr! Für diese Uhr habe ich 10 Euro bezahlt. Ich bin nicht reich!"
"Was ich Ihnen sagen wollte, wir haben heute Jubiläum und die Getränke gehen aufs Haus, haben Sie nicht auf die Werbetafel geschaut?"
Viel Spaß beim Lesen.