Wenn man über zwei Dinge nachdenkt, die sich nur sehr schwer bis gar nicht miteinander vereinbaren lassen, kommt man schnell auf die Politik und Computerspiele. Die Lösung liegt auf der Hand: Schreckliche Ereignisse in der Vergangenheit, wie die Amokläufe von Erfurt und Winnenden, gaben den Abgeordneten des Bundestages besten Anlass, Ego-Shooter wie „Counterstrike“ oder andere gewalttätige Computerspiele für alles verantwortlich zu machen. Mehrere Male war diese Steilvorlage gegen den virtuellen Raum gegeben – mehrere Male wurde sie genutzt. Dadurch, dass die Medien die Diskussion zusätzlich anfachten, gerieten letztendlich nicht nur die Spiele sondern auch die Spieler selbst ins Visier der Öffentlichkeit. Nicht selten wurden sie nur durch den einfachen Umstand, sich die Zeit am Computer zu vertreiben, als potenzielle Amokläufer oder schlichtweg als „krank“ bezeichnet – ein schlimmer Irrglaube.
Nun machten drei Vertreter des Bundestages einen Vorschlag, der vor diesem Hintergrund an eine Revolution grenzt: Möglichst alle 622 Abgeordneten sollen Ende Oktober oder Anfang November an einer großen, zentral geplanten LAN-Party im Deutschen Bundestag teilnehmen. Die selbst ernannte „Schwester eines Nerds“, nämlich CSU-Abgeordnete Dorothee Bär, sieht in der Aktion eine erfolgsversprechende Chance, Berührungsängste mit dem bisher unbeliebten Medium abzubauen.
Vernetzt werden sollen die Politiker wie auch normalerweise durch ein Local-Area-Network (LAN). So könnten Angela Merkel und Sigmar Gabriel in wenigen Wochen voreinander sitzen und sich ebenfalls auf den Bildschirmen begegnen. Professionelle Hilfe wird voraussichtlich das erfolgreichste Counterstrike-Team Deutschlands leisten, die Mitglieder des Clans „mousesports“. Bei dieser außergewöhnlichen LAN-Party werden sie den Abgeordneten alle Handgriffe und Spielweisen verständlich erklären.
FDP-Politiker Jimmy Schulz, einer der Hauptinitiatoren der Veranstaltung, versicherte ebenfalls, dass man einen schonungslosen und ungetrübten Blick in die Welt der Computerspiele ermöglichen wolle. Dabei sollten auch die vielmals verpönten „Killerspiele“ nicht ausgelassen werden, um den Politikern ein umfassendes Gesamtbild liefern zu können.
Ein weiteres Ziel ist die Anerkennung des E-Sports, also des wettkampfmäßigen Austragens von Online-Matches, in den Sportdachverbänden. „Wir wünschen uns, dass wir einfach mal Gehör finden und von der Vorstellung wegkommen, dass wir alle kranke Kinder sind“, sagte Rolf Patschka vom Team ESC Icybox.
Es bleibt zu erwarten, wie viele Mitglieder des Bundestages letztendlich tatsächlich an der Massen-LAN-Party teilnehmen werden. Eines steht jedoch fest: Der unmittelbare Kontakt mit dem mehr oder weniger fremden Medium, ohne jegliche subjektive Medienberichte, kann sicherlich nicht schaden! Übrigens: Erstaunlicherweise stößt der Vorschlag bisher auf beinahe durchweg positive Resonanz.