Hallo zusammen,
auch wenn wir auf dieser Plattform explizit keine Themen zu Gesundheit (und Recht ) zulassen, weil die Gefahr besteht, dass mit zu wenig oder falschem Wissen hausieren gegangen wird, möchte ich mit diesem Thema den aktuellen Stand zur Impfung gegen SARS-CoV-2 (und dessen Folgekrankheit COVID-19) nahe bringen. Dieses Thema soll für euch als Information und Wegweiser dienen, wenn die ansonsten erhältlichen Informationen unklar oder unschlüssig erscheinen. Ich möchte dieses Thema als eine Art FAQ aufbauen und euch in den Beiträgen auch ggf. Fragen über das Thema Impfung und die Krankheit und dessen Folgen im medizinischen Sektor an sich beantworten, sofern Interesse besteht.
Kurz zu meiner Person, damit ihr wisst, warum ich hier etwas schreibe und inwieweit ich überhaupt dazu qualifiziert sein könnte: ich arbeite seit 2016 im öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst und Intensivtransport. Meine berufliche Aufgabe ist primär die Notfallrettung bei z. B. Schlaganfällen, Herzinfarkten und schweren Verkehrsunfällen. Sekundär arbeite ich im Intensivtransport für das Land Niedersachsen. Grundlage dieser Tätigkeit ist der Transport von Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes mit höherer Versorgungsstufe, während diese Patienten intensivmedizinische Überwachung benötigen: das können beispielsweise eine maschinelle Beatmung, hochkomplexe Medikationen per Spritzenpumpen zur Sedierung, Narkose oder Kreislaufunterstützung im manifesten Kreislaufschock oder Verfahren sein, die das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anreichern, weil die eigene Lunge des Patienten akut versagt hat (sog. ECMO-Systeme (extrakorporale Membranoxygenierung)). Häufig kommt es auch zur Verlegung von Patienten mit Kunstherzsystemen oder bestimmten Kreislaufunterstützungssystemen, die außerhalb des Körpers anliegen (IABP, Impella). Klingt sehr fachchinesisch und geschwurbelt, ist aber tagein und -aus die Realität. Patienten, die intensivmedizinisch transportiert und verlegt werden müssen, sind meistens (> 95% der Fälle) Hochrisikopatienten mit komplexen Vorerkrankungen und -diagnosen und in der Regel auch kreislaufinstabil, was eine Verlegung höchst anspruchsvoll gestaltet. Gerade im Rahmen der COVID-19-Pandemie haben die Intensivtransporte stark zugenommen, insbesondere junge Patienten werden mit einem ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrom, zu Deutsch: akutes Atemnotsyndrom bzw. akutes Lungenversagen) maschinell beatmet und mit schlechten Kreislaufwerten in Krankenhäuser der Maximalversorgung und Universitätskliniken aus kleinen Krankenhäusern in der Provinz verlegt. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie im März 2020 in Deutschland habe ich selber 78 SARS-CoV-2 positive Patienten betreut, 66 davon unter intensivmedizinischen Bedingungen im Rahmen von akuten Behandlungen im Rahmen der Notfallrettung oder im Intensivtransport bei schweren Verläufern.
Kommen wir nun zum Thema Impfung gegen SARS-CoV-2, die Informationen beziehen sich auf dem Impfstoff BNT162b2 von BioNTech / Pfizer, welcher voraussichtlich in DE am häufigsten verimpft werden wird:
1. Wie erfolgt die Entwicklung und Testung eines Impfstoffes?
Nach einer genauen Untersuchung des Virus wird festgelegt, an welcher Stelle der Impfstoff konkret wirken soll. Danach erfolgt die Auswahl der zu verimpfenden Virusbestandteile und eventueller Zusatzstoffe (z. B. physiologische Kochsalzlösung zum Auflösen, Fette als Träger, etc.), anschließend kommt es zu einem dreistufigen Verfahrenstest: in Phase 1 wird die Verträglichkeit des Impfstoffes sowie seine Fähigkeit zum Hervorrufen einer Immunabwehrreaktion am Menschen getestet. Für diese Phase dürfen maximal 100 gesunde Freiwillige herangezogen werden. In Phase 2 werden an mehreren hundert Menschen die richtige Dosis, Verträglichkeit und das Hervorrufen einer adäquaten Immunabwehrreaktion getestet. In Phase 3 wird der Test schließlich an mehreren Tausend Freiwilligen durchgeführt, um zu testen, ob ein Infektionsschutz im Alltag wirklich gegeben ist und ob es zu seltenen Nebenwirkungen kommt. Der COVID-19-Impfstoff wurde zwischen April und November 2020 an etwa 43.500 Freiwilligen ab 16 Jahren getestet. Verlaufen alle drei Phasen positiv, kann ein Zulassungsverfahren beantragt werden. Nach erfolgreicher Zulassung darf der Impfstoff dann eingesetzt werden.
2. Warum ging die Entwicklung des Impfstoffes so schnell?
Normalerweise dauert bereits das Genehmigungsverfahren für den Start der ersten Testphase mehrere Monate. Da jedoch im April 2020, als die Entwicklung des Impfstoffes die ersten großen Schritte hinter sich hatte, die ganze Welt und auch Deutschland auf die Pandemie fokussiert waren, wurde die Genehmigung vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut bereits nach drei Tagen erteilt. So konnte die Testphase schnell beginnen, um den Impfstoff zeitnah an den Menschen bringen zu können. Zu bedenken ist auch, dass (fast) alle Kapazitäten auf die Entwicklung dieses Impfstoffes aufgewendet werden sind. Viel Personal + viele Kapazitäten + positiver Zeitdruck + ausreichend finanzielle Mittel = schnelle Entwicklung. Im Prinzip eine einfache mathematische Gleichung. Die Zulassung für den Impfstoff erfolgte am 21.12.2020 durch die Europäische Union für den EU-Raum.
3. Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Grundsätzlich sind allgemeine Impfreaktionen wie z. B. Schmerzen an der Einstichstelle, kurzzeitige Schwäche und Abgeschlagenheit sowie ein Temperaturanstieg möglich. Auch über allergische Reaktionen auf den Impfstoff wurde berichtet, dies ist jedoch im absoluten Rahmen zu vernachlässigen. Personen mit ausgeprägten und vielen Allergien werden Impfungen generell nicht immer empfohlen.
4. Was können Langzeitnebenwirkungen sein?
Impfreaktionen treten normalerweise direkt oder kurz nach der Impfung auf, weshalb langfristige Nebenwirkungen sehr unwahrscheinlich sind. Auch extrem seltene Nebenwirkungen sollten nach der umfangreichen Studie (Erinnerung: knapp 43.500 Probanden in Phase 3) bereits erkannt worden sein, wären welche aufgetreten. Der SARS-CoV-2 Impfstoff von BioNTech / Pfizer wird gemeinhin als sehr sicher und nebenwirkungsarm angesehen.
5. Was macht die Impfung genau?
Eine COVID-19-Erkrankung kann nach einer Impfung nicht zu 100% sicher ausgeschlossen werden, jedoch konnte im Rahmen der Studie innerhalb der Kontrollgruppe eine Wirksamkeit von 95% erreicht werden, welche das Auftreten einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung nach der Impfung verhindert. Auch schwere Verläufe werden deutlich reduziert nach Erhalt der Impfung.
6. Wird mein Erbgut verändert?
Nein. Der Impfstoff bildet ungefährliche Virusproteine, um daraufhin das Immunsystem zu trainieren und dadurch zukünftig "echte" SARS-CoV-2 Viren abzuwehren. Eine Integration des RNA-Impfstoffes in die DNA (und damit das Erbgut) des Menschen ist aufgrund von unterschiedlichen chemischen Strukturen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht möglich. Auch kommt es zu keiner Umwandlung in "neue" DNA.
So, das zuerst als kleines FAQ. Sollten Fragen bestehen: gerne hier stellen. In diesem Falle sehen wir ausnahmsweise von der Regel für das Verbot hinsichtlich Gesundheitsthemen hinweg.
PS: Ich habe mich bereits impfen lassen und spüre keinerlei Nebenwirkungen. Nicht mal Schmerzen an der Einstichstelle.